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Stand: 28. Januar 2009
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Sigrid Damm. Christiane und Goethe ↓
Vielleicht stimmt es tatsächlich und jedes Zeitalter hat „seinen“ Goethe, von dem sich was abschauen, von dem sich was lernen lässt, der was tut, sagt, das interessant und spannend ist.

In den 80ern wurde Goethe als homosexuell geoutet. Die 90er zeigen einen Goethe, der „zwischen allen Stühlen sitzt“. So könnte auch das Buch der Sigrid Damm zusammengefasst, auf einen Nenner gebracht werden.

Die Autorin entwirft ihre Biografie mit Hilfe von Fakten des Alltags, also anhand von Rechnungen, Register,- und Archiveinträgen, wie sie von Behörden oder in Haushaltsbüchern vorgenommen wurden. Frau Damm recherchiert und begründet mit dieser Methode die Beziehung Goethes zu einer Frau, die bislang kaum oder gar nicht beachtet wurde, was seltsam ist. Jene Christiane von Kennern immer nur kurzcharakterisiert z.B. als „un bel pezzo di carne, gründlich ungebildet“ (Thomas Mann), oder „une nullité d’esprit“ (Romain Rolland), „Mätresse“, „Hure“, „dicke Hälfte“, „ein rundes Nichts“ (Charlotte von Schiller), „eine Blutwurst“ (Bettina von Arnim) oder gar „negrid“ - jene Christiane lebte 18 Jahre mit Goethe zusammen. In wilder Ehe und hatte mit diesem 5 Kinder, von denen 4 im sogenannten Kindsbett starben.

Goethe erwähnt von all dem und vielem mehr nichts in seinen Schriften. Als Christiane stirbt, liegt Goethe krank im Bett. Wir kennen das. Es war typisch für ihn, in Krisensituationen anwesend abwesend zu sein. Ihr Grab wurde zu Beginn dieses Jahrhunderts von einem Studienrat mit Hilfe von Friedhofsrechnungen ausfindig gemacht und mit einer Grabplatte versehen. Auf diese Weise nur blieb es erhalten und wurde nicht eingeebnet, wie die Gräber ringsum. Man/ich denke unwillkürlich an manche Pharaonen und Pharaonengattinen, die, da sie „nicht ins Bild passten“, von der Nachwelt „ausgemeißelt“ wurden.

Jedes Zeitalter hat vielleicht ihren/seinen Goethe. Man könnte, müsste, sollte demnach wieder ein Buch über Goethe schreiben; auch mit all dem Wissen um das, was Christiane Damm dokumentiert hat und für das sie, den Worten Marcel Reich-Ranickies gemäß, den „größten Preis verdient“ hätte.

Ich kenne :-) bereits den Titel: Goethe - Ich bin Gast und Künstler.

Das Buch:
Sigrid Damm. Christiane und Goethe. Insel Verlag. 1998.

Link zum Thema (verwandte Seelen):
Goethes stille Schande
© 2007 ERUNA (Lingenfeld) →
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