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Stand: 20. April 2007
Günter Grass: Beim Häuten der Zwiebel
Petroselinum crispum
Zugegeben: Ich hätte schon längst aufgehört. Mit dem Lesen. Und auch mit dem Schreiben. So ziemlich mit allem, was ich schaffe, noch immer schaffe und nicht erledige, über Jahre, Jahrzehnte hinweg.

Noch immer lese ich Bücher, Buch um Buch. Wieder eins, das ich gefunden, das mir empfohlen wurde. Zunächst sind es 2,3 Seiten, die ich in einem Zug zu Hause, nicht unterwegs, schaffe. Zum Lesen brauche ich Zeit, Ruhe und einen klaren, sprich ausgeruhten Kopf. Im Suff kann ich nicht lesen. Ich nicht.

Was passt, an Getränken stimmig ist, sind Kaffee und/oder Tee mit wenig(!) Süßem wie beispielsweise der Kopf vom geschenkten Osterhasen. Mehr braucht es nicht. Meint man. Meine ich. Doch das stimmt nicht. Es muss so viel stimmen, im Ungleichgewicht-im Gleichgewicht (who know’s it?) sein, um lesen, heute noch Romane lesen zu können.

OK, es wird mehr gelesen, die Statistik belegt es, als vor 10, 15 Jahren. Trotzdem. Das „bildungsbürgerliche Lesen“ ist out, ist verschwunden, gibt es nicht mehr. Kein Mathematiker, kein Ingenieur, kein Richter, Rechtsanwalt oder was auch immer blamiert sich, wenn er nicht den neuesten Roman von Walser, Grass oder wie die Heinis sonst heißen mögen, die Götterlieblinge, -wenn man deren An, und Einsichten nicht kennt, nicht wiedergeben, dazu Stellung beziehen kann. Man wird auch so als kompetent, geistig fit etc. eingestuft.

Grass schreibt in seinem Zwiebelbuch vom dreifachen Hunger. Dem nach Essen, dem nach Sex und dem nach Kunst. Grass ist Künstler. Grass kann erzählen. Grass ist kein Engel und kein Heiliger, keine wie etwa Böll gewesen, sein musste, wider Willen: keine moralische Instanz. Grass ist kein Vater, kein Erzieher, kein Vorbild. Alle, die jenes in ihm sahen, an so was glaubten, wurden enttäuscht, haben eine, ihre Orientierungsmarke verloren. Grass war, das schreibt er in seinem Buch, als junger Erwachsener noch, ein Nazi und zwar ohne wenn und aber. Selbst den Schindereien auf dem Kasernenhof, dem Robben im Schneematsch, unter dem Panzer durch usw. konnte er Sinn und Bedeutung geben. Geschossen hat er nicht. Sagt er.

Mit Oskar, dem Helden der „Blechtrommel“, wird alles anders: „Bloßes Schreibzeug war ich, das dem Gefälle der Handlung folgte und nichts vergessen durfte, weder die in Beton gegossenen Tatsachen noch all das Vorgetäuschte, das bei Gegenlicht in Erscheinung trat: Oskars Auftritte. Er bestimmte, wer sterben musste, wem es erlaubt war, wundersam zu überleben. Es ist Oskar gewesen, der mich zwang, noch einmal die Dunstkreise meiner frühen Jahre heimzusuchen. Er gab mir den Freibrief, alles was sich als Wahrheit ausgab, zwischen Fragezeichen zu sperren. Er, der personifizierte schiefe Vergleich, hat mich gelehrt, alles Schiefe als schön anzusehen.“

Ich kann’s nicht ändern. Das „Was“, das viele Wissens, -und Zitierfähige zerrinnt, nein: hab ich, kaum gelesen, wieder vergessen. So auch bei diesem Roman. Hin und wieder mache ich mir einen Strich an die Buchseite. Mehr nicht. Anfänglich sind es 2,3 Seiten, die ich pro Tag schaffe, später liegt man/ ich dann doch wieder auf der Couch, am Sonntag, bei schönstem Wetter, liest, schläft ein bisschen, liest weiter. Hört zu.

Das Buch:
Günter Grass. Beim Häuten der Zwiebel. Steidl 2006.

Ingeborg Bachmann. Das dreißigste Jahr. →
Steward O’Nan. Abschied von Chautauqua. →
Martin Walser. Ein liebender Mann. →
Philip Roth. Exit Ghost. →
Walter Moers. Der Schrecksenmeister →
Rüdiger Safranki. Romatik (Eine deutsche Affäre) →
Paul Auster. Die Brooklyn-Revue →
Betrand Russell. Denker des Abendlandes →
Harry Mulisch. Siegfried. →
Justus Noll. Ludwig Wittgenstein - David Pinsent →
Maarten't Hart. Das Wüten der ganzen Welt. →
Jonathan Franzen. Die Unruhezone →
Franz Kafka. Tagebücher →
Uwe Timm. Johannisnacht →
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Martin Walser. Angstblüte →
Sigrid Damm. Christiane und Goethe →
Philip Roth. Jedermann →
Saul Bellow. Damit du dich an mich erinnerst →
Eric-Emmanuel Schmitt. Das Evangelium nach Pilatus →

Judith Hermann. Nichts als Gespenster →
Erhard Köllner. Homosexualität als anthropologische Herausforderung →
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