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Stand: 21. Januar 2007
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Philip Roth. Jedermann ↓
Bis 50, 53 sind Beziehungen kein sonderlich großes Problem. Kein existentielles. Grundsätzliches. Auch dann nicht, wenn man seine zweite Familie „verraten“ muss, „um sich mit einer sechsundzwanzig Jahre jüngeren Schönheit zusammenzutun.“ Mit den „Ex“ arrangiert man sich, man spricht weiterhin miteinander, obwohl man als „hinterhältig, verantwortungslos, leichtsinnig und unreifer Wüstling“ abgetan wird und noch nach Jahren als „Betrüger“ und „ausgemachter Schwindler“ gilt.

Die wohl „magische Grenze“ wird mit 70 erreicht. Der Held spricht im Park eine junge Joggerin an. Hierbei müht er sich nach Kräften, „seine Unruhe - und den Drang sie zu berühren - und die Sehnsucht nach einem solchen Körper - und die Sinnlosigkeit des Ganzen - und seine eigene Bedeutungslosigkeit - zu verbergen.“ Dennoch. Es misslingt. Tatsächlich. „Ich finde, Sie sehen ziemlich fit aus“, sagte sie. „Und ich finde, Sie sehen ziemlich fit aus“, antwortete er. „Sie wissen, wo Sie mich finden“, sagte er. Doch auf den Zettel mit der aufgeschriebenen Handynummer reagiert sie nicht. „Sie rief nicht an. Und bei seinen Spaziergängen sah er sie nie wieder. Offenbar hatte sie ihr Lauftraining auf einen anderen Abschnitt der Promenade verlegt und damit seine Sehnsucht nach dem letzten großen Ausbruch von allem zunichte gemacht.“

Das ist bitter. Doch es kommt, wie schon Schopenhauer es prophezeit, noch und immer schlimmer. Der Widersacher Krankheit und das Unheil, die in den Kulissen warteten, werden aktiv, führen nunmehr die Regie. Am Ende findet eine Routineoperation statt, die er nicht überlebt. Herzstillstand. „Er war nicht mehr, befreit vom Sein, ging er ins Nichts, ohne es zu merken. Wie er es befürchtet hatte von Anbeginn.“

Bei der Lektüre am Schluss angekommen, fragt man sich, frage ich mich, warum man sich das „angetan hat“. Es „sich angetan“ hat dieses Buch überhaupt zu lesen. Doch das ist nicht durchgehend so. Im Gegenteil. Anfänglich wirkt diese künstlerisch gestaltete Dokumentation eines Verfalls anders. Man sitzt ruhig in seinem Sessel, versorgt mit heißem Tee, vielleicht noch einem Stück Kuchen und wird durchströmt von dem Gefühl Zeit zu haben, von dem Gefühl, nichts anderes zu wollen, als zu lesen. Das Buch ermüdet nicht. Das ist selten. Philip Roth gilt in Fachkreisen als „einer der größten Schriftsteller unserer Zeit.“

Das Buch:
Philip Roth. Jedermann. Carl Hanser Verlag 2006.
© 2007 ERUNA (Lingenfeld) →
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